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Es werden Posts vom November, 2025 angezeigt.

Die Alliierte Großwetterlage

  Wenn niemand mehr von außen rettet — Warum unsere letzte Hoffnung das Klima sein könnte Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen der Gegenwart und der dunkelsten Phase deutscher Geschichte. Damals — 1933 bis 1945 — existierte eine Macht von außen, die das System stoppen konnte. Die Alliierten zerstörten den Nationalsozialismus nicht, weil Deutschland moralische Einsicht hatte, sondern weil es militärisch und politisch unterlegen war. Das Ende des Faschismus war keine innere Heilung. Es war eine erzwungene Therapie. Dieser äußere Rettungsrahmen existiert heute nicht mehr. Die USA ringen selbst mit autoritären Versuchungen. Großbritannien taumelt nach dem Brexit politisch wie ökonomisch. Frankreich steht kurz davor, sich einer rechtsextremen Mehrheit zu öffnen. Russland ist längst selbst faschistoid geworden. Und die Europäische Union wirkt erschöpft, zerstritten, verwaltet sich selbst, statt Zukunft zu gestalten. Die historische Sicherheitsarchitektur, die Deutschland...

Reform- und Schutzvorschläge für demokratische Strukturen & Zivilgesellschaft

  Reform- und Schutzvorschläge für demokratische Strukturen & Zivilgesellschaft 1. Reform des Gemeinnützigkeitsrechts Klarstellung im Gesetz , dass politische Bildung, Demokratieschutz, Antidiskriminierungsarbeit und Klimaschutz ausdrücklich als gemeinnützig gelten. → verhindert politisch motivierte Einschränkungen wie im Fall Attac/Campact. Unabhängiges Gremium statt Finanzamtentscheidungen zur Gemeinnützigkeit. → Schutz vor parteipolitischer Einflussnahme. 2. Transparente, öffentliche Verfahren für Richter- und Staatsanwaltsbesetzungen Einführung von öffentlichen Hearings (nach US-Vorbild) für Richter:innen an höchsten Gerichten. Offenlegung aller Verbindungen, Lobbykontakte und Interessenbindungen vor Wahl. Bundesweites Transparenzregister für Ernennungs- und Auswahlprozesse. 3. Stärkung der institutionellen Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften Abschaffung des Weisungsrechts der Justizministerien gegenüber Staatsanwälten (wie es der Europä...

AfD Verbot und Potentialitätskriterium

  Argumentationspapier Das Potentialitätskriterium als strukturelles Risiko demokratischer Selbstverteidigung 1. Ausgangspunkt Ein Parteiverbot nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz ist möglich, wenn eine Partei nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zu gefährden. Seit dem NPD-Urteil 2017 gilt zusätzlich das vom Bundesverfassungsgericht formulierte Potentialitätskriterium : Eine Partei muss realistische Möglichkeiten besitzen, ihre verfassungsfeindlichen Ziele umzusetzen. Damit wurde das Parteiverbot an eine Bedingung geknüpft, die nicht im Wortlaut des Grundgesetzes steht, sondern aus der Rechtsprechung abgeleitet wurde. 2. Das strukturelle Dilemma Das Potentialitätskriterium führt zu einer paradoxen Schutzlogik: Solange eine extremistische Partei schwach ist , gilt ein Verbot als unverhältnismäßig (Gericht NPD-Entscheidung). Solange sie stärker wird , gelten ihre Mach...

Glauben - Wissen - Erkennen

  WISSEN UND ERKENNTNIS — Ein philosophischer Essay I. Die Unterscheidung einer höheren Ordnung Die geläufige Differenz von Glauben und Wissen ist ein didaktisches Werkzeug, eine Denkstütze für die frühe geistige Entwicklung einer Kultur. Sie sortiert Weltauffassungen in das Messbare und das Nicht-Messbare, in Physik und Mythos. Doch diese Unterscheidung wird zum Gefängnis, sobald sie als ultimative Grenze verstanden wird. Sie trennt zwei Sphären, die sich historisch feindlich gegenüberstanden: Wissenschaft und Religion. Aber jenseits dieser Grenzlinie existiert ein dritter Bereich, der weder im Rahmen der Religion noch der Wissenschaft vollständig aufgeht: die Erkenntnis . Erkenntnis ist kein Glaube, weil sie kein Bekenntnis benötigt. Erkenntnis ist kein Wissen, weil sie keine Beweise benötigt. Sie ist ein Ereignis im Bewusstsein. Erkenntnis ist das, was man erlebt , nicht das, was man behauptet . II. Die drei Modi des Zugangs zur Welt Glauben entsteht aus Narrativen...

Rheinisch als Zukunftsmodell gendergerechter Sprache

  Rheinisch als Zukunftsmodell gendergerechter Sprache Wie Dialekt Gleichberechtigung erreicht, ohne zu gendern Es gibt Debatten, die nur Verlierer kennen. Das Gendern gehört dazu. Während die einen mit moralischer Inbrunst kämpfen, als ginge es um die letzte Bastion des Patriarchats, verteidigen die anderen die deutsche Grammatik, als sei sie ein Naturgesetz und kein historisch gewachsenes Räderwerk. Und dazwischen sitzt eine schweigende Mehrheit, die sich fragt, ob wir sonst keine Sorgen haben. Die eigentliche Tragik: Beide Seiten diskutieren am Problem vorbei. Denn die Frage lautet nicht: Sollen wir gendern? Sondern: Wie kann Sprache Gleichwertigkeit ausdrücken, ohne das ästhetische und grammatische Fundament zu zerstören – und ohne den moralischen Zeigefinger? Das grammatische Dilemma Anders als im Englischen, wo „the“ Person, Ding und Funktion gleichermaßen bezeichnet, trägt das Deutsche sein Geschlecht bereits im Artikel und in der Flexion. „Der Arzt“ und „di...

§218 und das Selbstbestimmungsrecht der Frau

Warum kämpfen konservative Kräfte seit Jahrhunderten gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen? 1. Kontrolle über die Reproduktion = Kontrolle über die Gesellschaft Wer bestimmt,  wer  sich fortpflanzt und  wie , kontrolliert die Zukunft jeder Gemeinschaft. Frauen sind biologisch die letzte Instanz dieser Entscheidung – und deshalb war ihre Selbstbestimmung historisch immer eine Bedrohung für bestehende Machtstrukturen. Solange Frauen keine Kontrolle über Schwangerschaft, Sexualität, Beruf und Eigentum haben, bleiben sie abhängig, werden sie zur Ressource, und lassen sich als „Bevölkerungsmasse“ planen. Das ist keine moralische oder religiöse Frage, sondern eine Frage von  Machtarchitektur . Wenn Frauen entscheiden könnten,  ob  und  wann  sie gebären, verlieren patriarchale Systeme die Kontrolle über Erbschaften, Familienstrukturen, Arbeitsteilung, politische Loyalität. 2. Angst vor Kontrollverlust Viele konservative Männer (und Frauen, die sic...

Die KI als Fahrrad - eine metaphorische Betrachtung

Die KI als Fahrrad – eine metaphorische Denkfortbewegung Ein entspannter Essay über künstliche Intelligenz, Angstreflexe und die Kunst, den Fahrtwind zu genießen. Es gibt diese Momente, in denen plötzlich ein Gedanke einrastet — nicht als göttlicher Blitz, sondern als warmes „Ach so, klar“ , das sich erst im Bauch und dann hinter der Stirn niederlässt. So einer traf mich kürzlich, und er klang ungefähr so: KI ist ein Fahrrad. Nicht mehr, nicht weniger. Kein autonomer Tesla, der selbst zu Zielen rollt, die ich vielleicht gar nicht kenne. Kein Shuttle, in dem wir alle angeschnallt sitzen und hoffen, dass der Algorithmus nicht die Brücke verfehlt. Und — für alle Menschen, die jetzt schon Luft holen, um „Ja, aber E-Bike!“ zu rufen: nicht einmal ein E-Bike. Denn beim Fahrrad schiebt nichts . Man muss selbst treten . 🚶‍♂️ Zu Fuß denken vs. 🚲 Denken mit Fahrrad Gedankenwege kann man zu Fuß zurücklegen. Man kommt irgendwann an. Aber manchmal dauert es lange, ist anstrengend, führt ü...

Die Archaische Architektur des Menschen

  Die Archaische Architektur des Menschen Eine vierteilige Mini-Publikation über Gehirn, Geschichte und Zivilisation Vorwort – Die Fabel vom Frosch und dem Skorpion Es gibt Geschichten, die in wenigen Zeilen ausdrücken, wofür die Wissenschaft Jahrhunderte brauchte. Die Fabel vom Frosch und dem Skorpion gehört zu diesen Verdichtungen menschlicher Natur. Ein Skorpion bittet einen Frosch um Hilfe, verspricht Vernunft, verfällt dann aber seinem Impuls und sticht — selbstzerstörerisch, unausweichlich, „weil es in seiner Natur liegt“. Diese Fabel ist kein Gleichnis über Moral, sondern ein frühes Modell der Neurobiologie: Der Frosch steht für den Neokortex, der plant, abwägt und Risiken erkennt. Der Skorpion verkörpert das limbische System, das schnell, emotional und evolutionär alt ist. Und wie in der Fabel folgt unser Verhalten häufig nicht der Einsicht, sondern den Impulsen. Wir handeln gegen unser Wissen, gegen unsere Zukunft, manchmal sogar gegen unser Überleben. Dieses Vorwort steht...

Andersrum in Tracht

ANDERSRUM IN TRACHT Im Jahr 1985 roch die Turnhalle von Andersrum – einem jener ostfriesischen Dörfer, die selbst auf Landkarten gähnen – nach Linoleum, Franzbranntwein und ein bisschen Triumph. Harald Scholle, 34, Schnurrbart von mittlerer Überzeugung und Besitzer eines Kadett, der nur bergab sportlich war, trainierte die Damenmannschaft des TSV Andersrum im Handball. Wie das kam? „Weil sich keiner sonst gemeldet hat“, sagte Harald. Die Damen sagten: „Weil er nett ist und pfeifen kann.“ Beides stimmte irgendwie. Die Saison lief wie geschmiert, manchmal sogar besser, und als der Schlusspfiff des entscheidenden Spiels verhallte, stand fest: Kreismeister 1985. In Andersrum bedeutete das, dass drei Tage lang die Kirchenkuh mehr Besuch bekam als die Kirche. „Feiern tun wir bei Harms aufm Hof“, beschloss Kapitänin Susanne. „Friesen Wies’n. Wie in München, nur ohne Berge und mit Geschmack.“ „Aber Tracht!“ fügte Heike hinzu. Harald verzog das Gesicht, als hätte ihm jemand einen harzigen L...