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Weihnachtsgeschichte aus dem Inneren der Falle

 

Die Wespenfalle der Menschheit

Wenn man sich gedanklich auf eine Meta-Ebene begibt – weit genug entfernt, um nicht mehr in Geschichten, Nationen oder Generationen zu denken –, dann erscheint dieser Planet zunächst als ein Ausnahmezustand.

Die Erde war Paradies.
Nicht im religiösen Sinn, sondern im physikalischen, biologischen, systemischen Sinn: Ein seltener Punkt im Universum, an dem Bedingungen über lange Zeit stabil genug waren, damit Komplexität entstehen konnte. Atmosphäre, Wasser, Temperatur, Gravitation, Magnetfeld – eine unwahrscheinliche Konstellation, die Leben nicht nur ermöglichte, sondern begünstigte.

Der Mensch konnte sich nur entwickeln, weil diese Rahmenbedingungen optimal waren. Nicht trotz ihrer, sondern durch sie.

Und diese Bedingungen könnten es – rein theoretisch – heute noch sein.


Die stille Verschiebung der Prioritäten

Was sich verändert hat, ist nicht der Planet.
Was sich verändert hat, ist die innere Logik des Menschen.

Irgendwann begann Besitz wichtiger zu werden als Bestand.
Haben wichtiger als Sein.
Wachstum wichtiger als Stabilität.

Gier ist dabei kein moralischer Vorwurf, sondern eine funktionale Beschreibung: Ein System, das nie satt wird, weil es auf Mehr programmiert ist. Mehr Ressourcen, mehr Kontrolle, mehr Absicherung, mehr Status.

Das Tragische daran: Alles andere wurde diesem Prinzip untergeordnet – selbst das langfristige Überleben der eigenen Spezies. Nicht aus Bosheit, sondern aus innerer Zwangsläufigkeit.


Die Wespenfalle

Das lässt sich kaum besser beschreiben als mit dem Bild einer Wespenfalle.

Von außen ist sie offen.
Einladend.
Sie duftet süß.

Eine große Öffnung, die sich nach innen verjüngt. Leicht hineinzukriechen, intuitiv, logisch. Der Weg folgt dem Instinkt: Nahrung, Belohnung, Sicherung.

Im Inneren wartet das Süße – konzentriert, verführerisch, scheinbar lohnend. Doch der Rückweg ist kein offener Kanal, sondern ein winziger Trichter. Theoretisch vorhanden, praktisch nicht auffindbar. Die Wespe sucht, irrt, erschöpft sich. Am Ende fällt sie ins Süße und ertrinkt.

Nicht weil sie dumm ist.
Sondern weil das System so gebaut ist.


Mehr als eine Metapher

Genau so ist unsere Zivilisation organisiert.

Unsere Wirtschaftssysteme sind Eintrittstrichter: Konsum, Wachstum, Wettbewerb.
Unsere Belohnungsmechanismen sind süß: Status, Komfort, kurzfristiger Gewinn.
Unsere Ausstiegsoptionen sind winzig: Verzicht, Begrenzung, kollektive Umkehr.

Wir könnten umkehren. Theoretisch.
Aber das System ist nicht auf Rückweg ausgelegt.

Und je tiefer wir eindringen, desto weniger Energie bleibt, um ihn überhaupt noch zu suchen.


Keine Anklage, keine Erlösung

Das ist kein moralischer Text.
Keine Schuldzuweisung.
Keine Hoffnungspredigt.

Es ist eine nüchterne Beobachtung: Systeme, die nur auf Expansion ausgelegt sind, kennen kein eingebautes Ende – außer den Zusammenbruch. Die Wespenfalle ist nicht böse. Sie funktioniert einfach.

Vielleicht liegt die eigentliche Tragik darin, dass wir intelligent genug sind, das Muster zu erkennen – und zugleich zu tief darin stecken, um es kollektiv zu verlassen.


Ein weihnachtlicher Gedanke

Weihnachten ist traditionell die Zeit der Erlösungsgeschichten.
Vielleicht braucht es heute weniger Erlösung als Klarheit.

Nicht die Illusion, dass alles gut wird.
Sondern das stille, gemeinsame Verstehen, wo wir uns befinden.

Manchmal ist Erkenntnis kein Ausgang –
sondern nur ein Licht im Inneren der Falle.

Und vielleicht ist genau das der letzte Ort, an dem noch Menschlichkeit entsteht.

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