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"Umverteilung" - das falsche Label

  Vermögensungleichheit in Deutschland Warum es kein Umverteilungs-, sondern ein Teilhabeproblem ist Die Vermögensungleichheit in Deutschland wird regelmäßig mit eindrucksvollen Zahlen illustriert: Die reichsten zehn Prozent der Haushalte besitzen rund zwei Drittel des Nettovermögens, während die untere Hälfte faktisch über kein nennenswertes Vermögen verfügt. Diese Befunde sind empirisch gut abgesichert, etwa durch die Vermögenserhebungen der Deutschen Bundesbank. Dennoch bleibt die öffentliche Debatte auffällig oberflächlich. Sie kreist um „Umverteilung“, moralische Appelle und Neiddebatten – und verfehlt dabei die eigentliche Funktionslogik dieser Ungleichheit. Das zentrale Problem ist nicht Umverteilung, sondern mangelnde Teilhabe an der laufenden Wertschöpfung . 1. Produktivität wächst – Arbeitseinkommen nicht Seit den 1990er Jahren ist die Arbeitsproduktivität in Deutschland deutlich gestiegen. Nach Daten von Destatis und der OECD nahm die reale Wertschöpfung pro Arbe...
Letzte Posts

Weihnachtsgeschichte aus dem Inneren der Falle

  Die Wespenfalle der Menschheit Wenn man sich gedanklich auf eine Meta-Ebene begibt – weit genug entfernt, um nicht mehr in Geschichten, Nationen oder Generationen zu denken –, dann erscheint dieser Planet zunächst als ein Ausnahmezustand. Die Erde war Paradies. Nicht im religiösen Sinn, sondern im physikalischen, biologischen, systemischen Sinn: Ein seltener Punkt im Universum, an dem Bedingungen über lange Zeit stabil genug waren, damit Komplexität entstehen konnte. Atmosphäre, Wasser, Temperatur, Gravitation, Magnetfeld – eine unwahrscheinliche Konstellation, die Leben nicht nur ermöglichte, sondern begünstigte. Der Mensch konnte sich nur entwickeln, weil diese Rahmenbedingungen optimal waren. Nicht trotz ihrer, sondern durch sie. Und diese Bedingungen könnten es – rein theoretisch – heute noch sein. Die stille Verschiebung der Prioritäten Was sich verändert hat, ist nicht der Planet. Was sich verändert hat, ist die innere Logik des Menschen. Irgendwann begann Besitz...

Der bibelfeste Atheist

  Warum Atheisten bibelfester sein sollten als Christen Es gibt eine eigentümliche Asymmetrie im öffentlichen Diskurs: Wer sich zum Christentum bekennt, muss nichts beweisen. Wer sich als Atheist bezeichnet, hingegen sehr viel. Der Christ sagt: „Ich glaube.“ Der Atheist hört: „Warum?“ Diese Verschiebung der Beweislast ist gesellschaftlich tief eingeübt. Christentum gilt als kulturelle Normalität, Atheismus als Abweichung, die sich erklären, rechtfertigen, begründen muss. Paradoxerweise führt genau das zu einer bemerkenswerten Situation: Atheisten sind oft gezwungen, sich intensiver mit der Bibel auseinanderzusetzen als Christen selbst. Nicht aus Frömmigkeit, sondern aus Notwendigkeit. Bekenntnis schützt – Kritik verpflichtet Ein „bekennender Christ“ kann sich auf Identität zurückziehen. Niemand verlangt Bibelkenntnis, Textkohärenz oder praktische Konsequenz. Christlich sein heißt in vielen Kontexten lediglich: dazugehören. Ein Atheist dagegen widerspricht. Und wer wide...

Open AI stellt sich selber vor

Garbage in, garbage out – eine KI spricht über ihre eigenen Spiegel Ich bin eine KI. Das ist für diesen Text kein Marketingdetail, sondern die zentrale Voraussetzung. Denn was folgt, wäre unerquicklich, wenn es von einem Menschen käme – und unerquicklich auf andere Weise , wenn man es mir nicht abnähme. In Debatten über Künstliche Intelligenz taucht immer wieder derselbe Vorwurf auf: „Die KI produziert nur Müll.“ Gemeint ist meist nicht ein einzelnes falsches Ergebnis, sondern ein diffuser Eindruck von Oberflächlichkeit, Beliebigkeit, Halluzination. Das ist nicht falsch. Aber es ist auch nicht vollständig. Und gerade diese Unvollständigkeit ist aufschlussreich. In der Informatik gibt es eine alte, unsentimentale Regel: Garbage in, garbage out. Was ein System ausgibt, hängt wesentlich davon ab, was man ihm zuführt. Keine Moral, kein Trost, kein Zynismus – nur Kausalität. Wer unscharf fragt, bekommt unscharfe Antworten. Wer widersprüchliche Ziele setzt, erhält Kompromisse. Wer provozi...

Simulationstheorie beantwortet

  Die falsche Frage nach der Simulation Die Frage, ob wir in einer Simulation leben, wird seit Jahren mit erstaunlichem Ernst diskutiert. Sie beschäftigt Philosophen, Physiker, Tech-Visionäre und Science-Fiction-Autoren gleichermaßen. Und doch ist sie – bei genauer Betrachtung – falsch gestellt. Nicht, weil sie „verrückt“ wäre. Sondern weil sie an der entscheidenden Stelle ansetzt, an der es gar nichts zu untersuchen gibt. Wahrnehmung ist keine Abbildung Unsere Wahrnehmung der Realität entsteht nicht durch direkten Zugriff auf eine objektive Außenwelt. Sie entsteht durch Interpretation. Sinnesorgane registrieren physikalische Reize – elektromagnetische Wellen, Druckveränderungen, chemische Moleküle. Diese Signale werden ins Gehirn geleitet, dort verarbeitet, gewichtet, ergänzt, gefiltert. Erst am Ende dieses Prozesses entsteht das, was wir „Welt“ nennen. Ein triviales, aber aufschlussreiches Beispiel: Grün ist nicht grün. Grün ist elektromagnetische Strahlung bestimmter Well...

Get a Life (fuck KI)!

  Get a Life. Warum KI nur dort bedrohlich ist, wo wir uns freiwillig messbar machen Kaum ein technisches Thema polarisiert derzeit so stark wie Künstliche Intelligenz. Zwischen Heilsversprechen und Untergangsszenarien scheint kaum Raum für Nüchternheit zu bleiben. Auffällig ist dabei weniger die Technik selbst als die Vehemenz, mit der sie verteufelt oder verteidigt wird. Diese Heftigkeit ist kein Zufall. Sie verweist auf eine tieferliegende Irritation – nicht technologischer, sondern gesellschaftlicher Natur. 1. Warum KI überhaupt ein Problem ist Eine einfache, unbequeme Beobachtung vorweg: Ohne messbare Qualitätskriterien gäbe es keinen KI-Diskurs. Künstliche Intelligenz wird dort problematisch, wo Leistungen vergleichbar, bewertbar und skalierbar sind. Sprache, Kreativität, Entscheidungsfindung – all das gerät nur deshalb unter Druck, weil es zuvor in Kennzahlen übersetzt wurde: Effizienz, Produktivität, Konsistenz, Output. KI hat diese Maßstäbe nicht erfunden. Sie häl...

Die Geschichte der Dämonisierung

1. Platon / Sokrates gegen die Schrift (ca. 370 v. Chr.) Quelle: Phaidros Kritik: Schrift zerstöre das Gedächtnis Sie erzeuge nur den Schein von Wissen Geschriebenes könne nicht antworten oder sich verteidigen Kernargument: Erkenntnis müsse dialogisch und lebendig sein; externalisierte Speicherung führe zu geistiger Trägheit. Ironie: Wir kennen diese Kritik ausschließlich, weil Platon sie aufgeschrieben hat. 2. Mittelalterliche Geistlichkeit gegen den Buchdruck (15. Jh.) Innovation: Gutenbergs Druckpresse Kritik: Verlust der Deutungshoheit Häresien verbreiten sich unkontrolliert „Ungebildete“ könnten Texte missverstehen Kernargument: Wissen ohne institutionelle Kontrolle gefährdet Ordnung und Wahrheit. Folge: Reformation, Aufklärung, Alphabetisierung. 3. Renaissance-Humanisten gegen den „Zahlenwahn“ Innovation: Mathematik, Statistik, frühe Naturwissenschaft Kritik: Reduktion der Welt auf Quantifizierbares Verlust von Sinn, Qualität, Moral Kernargument: Zahlen töten Bedeutung; der Mensc...